PKAN, Pantothenat-Kinase-assoziierte Neurodegeneration ist eine der häufigsten Formen von NBIA. Sie wird durch Mutationen im PANK2-Gen verursacht.

PKAN repräsentiert derzeit 35% der NBIA-Population. Das PANK2-Gen liefert die Anweisung zur Herstellung eines Enzyms namens Pantothenatkinase. Die aktuelle Forschung untersucht, wie das Fehlen dieses Enzyms Nervenzellen schädigen und zur charakteristischen Eisenanreicherung im Gehirn beitragen kann.

PKAN wird im Allgemeinen in klassische und atypische Formen unterteilt je nach Alter bei Krankheitsbeginns und der Progressionsrate. Die Symptome der beiden Formen sind unterschiedlich. Damit gibt es ein breites Spektrum an Symptomen. Die Charakteristika der Erkrankung bei einigen Menschen ordnen sie zwischen diesen beiden Kategorien ein.

Klassische PKAN

Die Symptome, die in der frühen Kindheit (vor dem Alter von 6 Jahren, im Schnitt um das Alter von 3 Jahren) auftreten, schreiten bei der klassischen PKAN rasch fort. Dabei handelt es sich im Alter von etwa 3 Jahren um Probleme beim Gehen und später um progressive Dystonie, Dysarthrie, Rigidität, Spastik, Hyperreflexie und es zeigt sich ein Streckungsreflex der Zehen bei Stimulation der Fußsohle.

Diese Kinder können anfangs als ungeschickt empfunden werden und später auffälligere Probleme beim Gehen entwickeln. Mit der Zeit werden Stürze immer häufiger. Da sie Schwierigkeiten haben, sich bei Stürzen zu schützen, können die betroffenen Kinder immer wieder Verletzungen im Gesicht und am Kinn haben.

Bei zwei Dritteln der Betroffenen mit klassischer PKAN kommt es zu einer Netzhautdegeneration (Retinopathia pigmentosa). Der Verlust des peripheren Sehens kann zu Stürzen und Gehproblemen in den frühen Stadien der PKAN beitragen. Die Netzhautdegeneration folgt einem typischen klinischen Verlauf, mit Nyktopie (Nachtblindheit), gefolgt von einem fortschreitenden Verlust des peripheren Gesichtsfeldes und manchmal auch mit Erblindung. Bei der Untersuchung mittels Elektroretinographie werden oft asymptomatische Veränderungen der Netzhaut festgestellt. Personen mit normalen Augen zum Zeitpunkt der Diagnose entwickeln in der Regel später keine Retinopathie. Eine Optikusatrophie wird nur bei 3 Prozent der Patienten gefunden und ist bei der atypischen PKAN nicht beobachtet worden.

Atypische PKAN

In den meisten Fällen beobachtet man bei der atypischen PKAN ein langsames Fortschreiten der Symptome, über mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte, und die Symptome sind weniger schwerwiegend als die der klassischen PKAN.

Die atypische Form der PKAN tritt meist nach dem 10. Lebensjahr und innerhalb der ersten drei Lebensjahrzehnte auf. Das Durchschnittsalter für die Entwicklung von Symptomen liegt bei 13 Jahren. Die Symptome sind von Fall zu Fall unterschiedlich und unterscheiden sich stärker als bei der früh einsetzenden klassischen Erkrankung. Die Gehunfähigkeit tritt typischerweise 15 bis 40 Jahre nach der Entwicklung der ersten Symptome auf. 

Bewegungsprobleme sind häufig, obwohl sie sich erst später entwickeln. Über die  Patienten wird oft berichtet, dass sie in der Kindheit und Jugend unbeholfen waren. Ähnlich wie bei der Parkinson-Krankheit kann es beim Gehen zu einem „Erstarren“ kommen, insbesondere beim Abbiegen um eine Ecke oder bei Veränderungen der Bodenbeschaffenheit. Es wurde auch über Schütteln oder Zittern berichtet.

Eine Retinopathie ist bei der atypischen PKAN selten.

Die Symptome der Klassischen PKAN

Progressive Dystonie, eine Bewegungsstörung, die die Muskeln unwillkürlich kontrahieren und verkrampfen lässt, ist immer vorhanden und ist meist eine frühe Manifestation. Dystonien an Kopf und Gliedmaßen sind häufig und können zu wiederkehrenden Traumata der Zunge führen, die in einigen extremen Fällen eine Zahnextraktion im gesamten Mund erfordern. Oder die Dystonie kann zu Knochenbrüchen führen, durch die Kombination von extremer Knochenbelastung und Osteopenie (Minderung der Knochendichte). Die Dystonie kann auch zu Schluckbeschwerden und dadurch zu schlechter Nahrungsaufnahme führen. Solche sekundären Effekte führen mit größerer Wahrscheinlichkeit zum vorzeitigen Tod als der primäre neurodegenerative Prozess.

Spastizität

Dysarthrie, Sprachschwierigkeiten .

Steifheit

Choreoathetose, unwillkürliche Bewegungen aus einer Kombination von Chorea (unregelmäßige, wandernde Kontraktionen) und Athetose (Verdrehungen und Krümmungen).

Pigmentale Netzhautdegeneration ist häufig.

Die Symptome der Atypischen PKAN oder Späten PKAN

Nach dem 10. Lebensjahr treten unterschiedliche Symptome auf. Es gibt auffällige Sprachstörungen und häufig psychiatrische Symptome und ein allmähliches Fortschreiten der Krankheit.

Psychiatrische Symptome, impulsives Verhalten, gewalttätige Ausbrüche, Depressionen und schnelle Stimmungsschwankungen.

Bewegungsstörungen, Parkinsonismus ähnlich wie bei Parkinson-Patienten, wie z.B. „Erstarren“ beim Gehen, Schütteln, Zittern.

Netzhautdegeneration, tritt nicht häufig auf.

Diagnose und Tests für klassisches PKAN und Atypisches PKAN

Beginn der Bewegungsstörungen im ersten bis dritten Lebensjahrzehnt

Netzhautdegeneration (Retinopathia pigmentosa) oder Optikusatrophie

Geistige und entwicklungsbezogene Behinderungen vor allem bei Kindern mit sehr frühem Beginn der Krankheit.

Krampfanfälle sind selten

MRI (Magnetresonanztomographie). Im T2-gewichteten MRI des Gehirns sieht man

„Tigerauge“-Merkmale,  dunkle Bereiche mit einem sehr hellen Fleck in der Mitte. Bei anderen Formen der MBIA ist das so nur selten zu sehen. Die dunklen Bereiche weisen auf den hohen Eisengehalt an diesen Stellen im Gehirn hin. Diese zentrale Region mit Hyperintensität, umgeben von einem Rand der Hypointensität, sieht man auf koronalen oder transversalen T2-gewichteten Bildern des Globus pallidus.

Im Frühstadium der Erkrankung fehlt das Merkmal manchmal. In der Dominikanischen Republik, wurden 21 Betroffene mit PKAN diagnostiziert,  die die gleiche PANK2-Mutation haben. Es wurde berichtet, dass sechs Personen das „Tigerauge“-Merkmal trotz ihrer Ähnlichkeit mit anderen in dieser Gruppe nicht aufwiesen.

In einigen Patienten angeblich mit dem  „Tigerauge“-Merkmal, wird man eine mitochondrial-membrane Protein-assoziierte Neurodegeneration oder MPAN finden, eine andere Form von NBIA, deren Scans ähnlich denen bei PKAN aussehen.

Genetische Tests. Die Identifizierung biallelischer PANK2-pathogener Varianten durch molekulargenetische Tests bestätigt die Diagnose.

Die Familienanamnese ist konsistent mit der autosomal rezessiven Vererbung, einschließlich der Blutsverwandtschaft.

Bewertung des Fortschreitens der Krankheit

Das Ausmaß der Erkrankung kann festgestellt werden durch:

Behandlung

Behandlung der Dystonie. Das am meisten belastende und behindernde Symptom der Krankheit kann behandelt werden durch:

Physiotherapie und Beschäftigungstherapie bei nur leichter Symptomatik zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit, Empfehlung von adaptiven Hilfsmitteln (Rollator, Rollstuhl) bei Gehstörungen,

Sprachtherapie und/oder unterstützende Kommunikationsgeräte,

Ophthalmologische Untersuchung

Vermeidung von Sekundärkomplikationen. Zahnextraktion im ganzen Mund, wenn eine schwere orobukkolinguale Dystonie zu wiederkehrenden Zungenbissen führt; Magensondenernährung nach Bedarf.

Überwachung: Bewertung, ob Schmerzursachen bei extremen Belastungszuständen behandelbar sind; Überwachung von Größe und Gewicht; routinemäßige augenärztliche Beurteilung; Prüfung auf Verletzungen im Mund; Beurteilung der Geh- und Sprechfähigkeit, sowie der Nahrungsaufnahme und Ernährung.

Behandlungen in der Erforschung

Eisen Chelation

Deferiprone (Ferriprox®) durchquert die Blut-Hirn-Schranke und entzieht den Gehirnzellen Eisen.

Eine internationale klinische Studie über 2 1/2 Jahre ist nun abgeschlossen und die Ergebnisse sind veröffentlicht. Insgesamt war Deferiprone gut verträglich, senkte die Eisenakkumulation im Gehirn und verlangsamte das Fortschreiten der Krankheit bei einer signifikanten Anzahl der in dieser klinischen Studie rekrutierten Patienten. Daher wird vorgeschlagen, Deferiprone einzusetzen zur Behandlung der Neurodegeneration mit Eisenakkumulation im Gehirn.

Pantothenat und Pantothenat-Derivate

Die Möglichkeit des Vorhandenseins von Pantothenat-Kinase Enzymaktivität bei einigen Personen mit PKAN  eröffnet die Chance für eine  Behandlung mit hochdosiertem Pantothenat, dem PANK2-Enzymsubstrat. Pantothenat hat beim Menschen keine bekannte Toxizität. Hohe orale Dosen von Pantothensäure oder Kalziumpantothenat (≤10 g/Tag über mehrere Wochen) scheinen für den Menschen nicht toxisch zu sein. Man weiß noch nicht, wie wirksam die Supplementation mit Pantothenat für der Linderung von Symptomen ist. Einige Personen mit einem atypischen Krankheitsverlauf haben anekdotisch über Verbesserungen bei Dysarthrie, Gehstörungen und ihrem Wohlbefinden bei der Einnahme von Pantothenat berichtet.

Klinische Studien sind im Gange, um das Potenzial einer Form von Pantothenat, Pantethin und Pantethinderivate, zur Behandlung von PKAN zu untersuchen. Studien mit Fruchtfliegen zeigen, dass sie, wenn Pantethin in ihrer Nahrung enthalten ist, länger leben und eine geringere Rate der Verschlechterung des Nervensystems haben.

Im Rahmen eines Stipendiums der NBIA Disorders Association untersuchte Dr. Ody Sibon vom University Medical Center Groningen in Groningen, Niederlande, Pantethinderivate, um herauszufinden, ob sie im menschlichen Verdauungssystem und Blut stabil sind. Im Rahmen der EU-Förderung 2011-2015 zur Behandlung von eisenbedingten Neurodegenerationen im Kindesalter (TIRCON) wurden Pantethin-Derivate als eine mögliche Behandlung von PKAN identifiziert. Weitere Informationen kann man unter TIRCON und den klinischen Studien für PKAN finden.

Gehirn-Imaging: Forscher der Oregon Health & Science University führen mit einem bildgebenden Verfahren (imaging) eine Studie durch, um die Durchblutung des Gehirns (Perfusion) bei PKAN Patienten zu untersuchen. Sie hoffen, neue Erkenntnisse über den Verlauf der Krankheit zu gewinnen.

Verlauf

PKAN ist eine fortschreitende Erkrankung. Die Betroffenen erleben Episoden einer raschen Verschlechterung, die oft ein bis zwei Monate andauern und von längeren Stabilitätsphasen unterbrochen werden. Die Gründe dafür sind nicht klar ersichtlich.

Viele Menschen mit der klassischen Form der PKAN benötigen bereits im mittleren Teenageralter einen Rollstuhl. Die meisten verlieren zwischen 10 und 15 Jahren die Fähigkeit, sich selbstständig zu bewegen oder zu gehen und haben bis dahin möglicherweise auch schon so viele Schwierigkeiten mit Kauen und Schlucken, dass eine Magensonde notwendig wird. Um eine angemessene Ernährung zu gewährleisten, sind eine Kontrolle des Schluckvermögens und eine regelmäßige Begutachtung der Ernährung erforderlich. Sobald die Person nicht mehr in der Lage ist, sich oral ausreichend zu ernähren, wird eine Magensonde notwendig.

Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es für Tage oder Wochen zu Episoden extremen Leidens kommen. Während dieser Episoden ist es besonders wichtig, nach den Ursachen der Schmerzen zu suchen, damit diese behandelt werden können. Dazu können okkulte GI-Blutungen, Harnwegsinfektionen und Knochenbrüche gehören. Personen mit PKAN haben ein besonders hohes Risiko für Frakturen ohne offensichtliches Trauma aufgrund von Osteopenie und der Belastung der Röhrenknochen durch Dystonien.

Folgendes sollte regelmäßig durchgeführt werden: Überwachung von Größe und Gewicht anhand geeigneter Wachstumskurven, um Kinder auf eine Verschlechterung ihres Ernährungszustandes zu untersuchen; Kontrolle der Augen; Überprüfung des Mundraumes auf Folgen von Traumata; Beurteilung der Geh- und Sprechfähigkeit.

Die Patienten sind dem Risiko eines vorzeitigen Todes ausgesetzt. Die Lebensspanne variiert jedoch von Patient zu Patient. Mit der Verbesserung der medizinischen Versorgung lebt eine größere Anzahl von Betroffenen bis ins Erwachsenenalter.

Genetik

PKAN wird vererbt und wird als autosomal rezessive Störung bezeichnet. Wenn eine Kopie eines rezessiven Gens eine Veränderung (Mutation) aufweist, sollte die Person immer noch einen normalen Gesundheitszustand haben. Diese Person wird Träger genannt.

Rezessive Erkrankungen treten nur dann auf, wenn beide Elternteile Träger der gleichen Erkrankung sind und ihre veränderten Gene an ihr Kind weitergeben.

Es gibt

25 % Wahrscheinlichkeit, dass zwei Träger ein krankes Kind haben,

50% Wahrscheinlichkeit, dass das Paar ein Kind bekommt, das auch Träger ist, und

25% Wahrscheinlichkeit, dass das Kind nicht die Genmutation hat.

Untersuchungen auf Trägerschaft für Risikoverwandte und pränatale Tests können durchgeführt werden, wenn beide krankheitsverursachende Mutationen bei einem betroffenen Familienmitglied identifiziert wurden.

Molekulargenetische Testanverfahren sind

Einzelgenprüfung. Die Sequenzanalyse von PANK2 wird zuerst durchgeführt, gefolgt von einer genbezogenen Deletions-/Duplikationsanalyse, wenn nur eine oder keine pathogene Variante gefunden wird.

Ein Multigen-Verfahren, enthält PANK2 und andere interessante Gene.

Umfassendere genomische Tests (sofern verfügbar), einschließlich Exom- und Genomsequenzierung, können in Betracht gezogen werden. Solche Tests können eine Diagnose liefern oder nahelegen, die zuvor nicht in Betracht gezogen wurde (z. B. Mutation eines anderen Gens oder anderer Gene, die zu einer ähnlichen klinischen Erscheinungsform führen).

Pränatale Tests

Wenn die krankheitsverursachenden Mutationen in einer Familie identifiziert wurden, kann bei Schwangerschaften eine pränatale Diagnose durchgeführt werden, durch die Analyse von DNA, die aus fetalen Zellen in einer Amniozentese (normalerweise nach 15 bis 18 Schwangerschaftswochen) oder einer Chorionzottenbiopsie (normalerweise nach 10 bis 12 Schwangerschaftswochen) gewonnen wird.

Eine genetische Präimplantationsdiagnostik kann eine Option sein, wenn die krankheitsverursachenden Mutationen identifiziert wurden.