PLAN, oder PLA2G6-Assoziierte Neurodegeneration, ist eine der NBIA (Neurodegeneration mit Eisenakkumulation im Gehirn) Störungen, die durch eine Mutation im PLA2G6-Gen verursacht wird. Dieses Gen hilft den Zellen, eine gesunde Membran (äußere Schicht) zu erhalten. Es ist am Fett(Lipid)-Stoffwechsel beteiligt.
Es ist noch nicht bekannt, wie Veränderungen in diesem Gen die Symptome von PLAN und den hohem Eisengehalt im Gehirn einiger Betroffener verursachen.
Basierend auf dem Alter und den Symptomen eines Betroffenen, wird diese Erkrankung in drei verschiedene Formen von PLAN mit unterschiedlichen Merkmalen eingeteilt:
- INAD, oder Infantile Neuroaxonale Dystrophie, bei der die Symptome normalerweise im Alter zwischen 6 Monaten und einem Jahr beginnen aufzutreten.
- aNAD, oder atypische Neuroaxonale Dystrophie, bei der die Symptome variabler sind als bei INAD. Patienen beginnen typischerweise in der frühen Kindheit Symptome zu zeigen, normalerweise im Alter von 4 Jahren.
- Adulte Form des Dystonie-Parkinsonismus oder PLA2G6-assoziierter Dystonie-Parkinsonismus, bei der der Beginn im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt liegt.
Es gibt auch Patienten zwischen diesen Kategorien, die ein breites Spektrum von Symptomen repräsentieren, das eigentlich ein Kontinuum von sich überlappenden klinischen und radiologischen Merkmalen darstellt.
INAD
Klassische INAD beginnt früh im Leben im Alter zwischen 6 Monaten und 3 Jahren, mit psychomotorischer Regression oder Entwicklungsverzögerung und schreitet schnell voran. Die ersten Anzeichen sind oft Verzögerungen in der Entwicklung verschiedener Fähigkeiten. Zum Beispiel lernen viele betroffene Kinder nie das Laufen oder verlieren die Fähigkeit kurz nach dem Erlangen. Die Kinder können schlapp sein oder einen niedrigen Muskeltonus haben, was später, wenn sie älter werden, in eine schwere Spastik (Steifheit) übergeht, besonders in Armen und Beinen. Der Krankheitsfortschritt ist schnell.
Symptome von INAD
Verlust der motorischen Fähigkeiten
- Hypotonie, niedriger Muskeltonus und progressive spastische Tetraparese.
- Spastische Steifheit im späteren Stadium.
Zerebellare Atrophie, fortschreitender kognitiver Verfall.
Sehbehinderung, Strabismus (Schielen), Nystagmus (schnelle unwillkürliche Augenbewegungen) und Optikusatrophie sind häufig.
Sehstörungen sind später häufig und können zu Sehschwäche und schließlich zur Erblindung führen.
Krampfanfälle
Es können auch schnelle EEG-Rhythmen auftreten.
Viele betroffene Kinder überleben nicht ihr erstes Jahrzehnt, aber einige leben bis ins Teenageralter oder länger dank unterstützender Pflege indem das Risiko von Infektionen und anderen Komplikationen reduziert wird.
Diagnose und Untersuchung auf INAD
Beginn vor dem dritten Lebensjahr
Klinische Tests
- Psychomotorische Regression (am häufigsten auftretendes Merkmal).
- Hypotonie am Körperrumpf früh im Verlauf der Krankheit, gefolgt von spastischer Tetraparese (meist mit Hyperreflexie im frühen Krankheitsstadium mit Progression zur Areflexie im späteren Verlauf).
- Sehbehinderung, Schielen, Nystagmus, Optikusatrophie
Laborwerte
- Erhöhtes Verhältnis Aspartat-Aminotransferase/Alanin-Aminotransferase
- Erhöhte Laktatdehydrogenase
Radiographische Untersuchung
- Krampfanfälle, die sich früh oder spät im Krankheitsverlauf zeigen können.
MRI
Kleinhirnatrophie
- T2-gewichtetes MRI des Gehirns: Hypointensität im Globus pallidus (zeigt Eisenakkumulation an), kortikal-zerebellare Hyperintensitäten (weisen auf zerebellare Gliose), Anomalien der weißen Substanz, dünnes vertikal orientiertes Corpus callosum und Hypertrophie der Clava.
- EMG (Elektromyogramm). Nachweis der Denervierung.
- EEG (Elektroenzephalogramm). Schnelle Rhythmen.
- VEP (visuell evozierte Potentiale). Verzögert mit reduzierten Amplituden.
- NCV (Nervenleitgeschwindigkeit). Distale axonale sensomotorische Neuropathie.
- Augenuntersuchungen sind wesentlich zur Diagnose von INAD und aNAD.
Molekulargenetische Untersuchung von PLA2G6 zur Identifizierung der Mutation in PLA2G6.
Elektronenmikroskopische Untersuchung von Nervenbiopsien auf dystrophische Axone. Abnormale Axone (ein Teil der Nervenzellen), die als Sphäroidkörper oder axonale Sphäroide bezeichnet werden, können auf Biopsien gesehen werden. Sie können aber erst später in der Erkrankung auftreten, da sie sich mit dem Alter anhäufen.
aNAD
Die Atypische NAD beginnt in der Regel in der frühen Kindheit, kann aber auch bis Ende des zweiten Lebensjahrzehnts einsetzen. Sie verläuft langsamer und hat eine andere Vielfalt an Bewegungsproblemen als INAD. Zunächst können die Kinder Verzögerungen beim Sprechen haben oder Merkmale aufweisen, die dem Autismus ähnlich sind. Das Krankheitsbild bleibt in der frühen Kindheit ziemlich stabil und ähnelt einer statischen Enzephalopathie, aber es folgt eine neurologische Verschlechterung im Alter zwischen 7 und 12 Jahren.
Symptome von aNAD
Bewegungsschwierigkeiten
- Progressive Dystonie, Ganginstabilität, Ataxie.
- Progressive Dysarthrie, Schwierigkeiten bei der Wortaussprache und Verzögerung bei der Sprachentwicklung.
Neuropsychiatrische Störungen, autistische Merkmale, Impulsivität, schlechte Aufmerksamkeitsspanne, Hyperaktivität und emotionale Labilität.
Sehbehinderung, Schielen, Nystagmus (schnelle unwillkürliche Augenbewegungen), Optikusatrophie.
Diagnose von aNAD
Symptome, die vor dem 20. Lebensjahr auftreten
Klinisch
- Psychomotorische Regression, Verlust bereits erworbener Fähigkeiten, psychiatrische und Verhaltensanomalien
- Gangabnormalitäten
- Auffällige Schwierigkeiten beim Sprechen
- Psychiatrische/Verhaltensauffälligkeiten einschließlich autismusähnlichen Verhaltens
- Visuelle Anomalien: Nystagmus, Optikusatrophie
- Spastizität (ohne vorhergehende Hypotonie)
- Kontrakturen der Gelenke
- Progressive Dystonie und Dysarthrie
- Krankheitsverlauf langsamer als bei INAD
Radiographie
- Zerebellare Atrophie
- T2-gewichtetes MRI des Gehirns: Hypointensität im Globus pallidus (zeigt Eisenakkumulation an).
Neurophysiologisch
- VEP (visuell evozierte Potentiale), sind verzögert mit reduzierten Amplituden.
- Krampfanfälle
Molekulargenetische Untersuchung von PLA2G6 zur Identifizierung der Mutation in PLA2G6.
Elektronenmikroskopische Untersuchung von Nervenbiopsien auf dystrophische Axone wie bei INAD, Biopsien zeigen Hinweise auf abnorme Axone (ein Teil der Nervenzellen), sogenannte Sphäroidkörper oder axonale Sphäroide können auf Biopsien gesehen werden. Sie können aber erst später in der Erkrankung erscheinen, da sie sich mit dem Alter anhäufen.
PLA2G6-assoziierter Dystonie-Parkinsonismus
Der PLA2G6-assoziierte Dystonie-Parkinsonismus hat ein variables Eintrittsalter, von der Kindheit bis zum zweiten und dritten Lebensjahrzehnt. Die meisten Personen weisen im frühen Erwachsenenalter Gehstörungen oder neuropsychiatrische Veränderungen auf.
Im späten Teenageralter bis Anfang zwanzig erleben die Patienten Dystonien, am häufigsten an den Händen und Füßen, aber allgemein am Körper. Augenbewegungsanomalien und Parkinsonismus, Bradykinesie (Langsamkeit), Haltungsinstabilität (schlechtes Gleichgewicht), Ruhetremor, Steifheit. Die Symptome können von einem raschen kognitiven Rückgang begleitet sein.
Diagnose des PLA2G6-bedingten Dystonie-Parkinsonismus
Klinisch
Die Hauptmerkmale haben einen variablen Beginn von der Kindheit bis zum jungen Erwachsenenalter.
- Parkinsonismus (Tremor, Bradykinesie, Rigidität und deutlich beeinträchtigte haltungsbezogenes Verhalten).
- Dystonie
- Dysarthrie
- Beteiligung des autonomes Nervensystems (z.B. kalte/blaue Hände und Füße, Schwierigkeiten bei der Regulierung der Körperkerntemperatur, Verstopfung).
- Kognitiver Rückgang.
- Neuropsychiatrische (psychische Störung) Veränderungen aufgrund von Erkrankungen des Nervensystems und kognitivem Verfall.
- Anfänglich sehr deutliches Ansprechen auf die dopaminerge Behandlung, gefolgt von der frühen Entwicklung von Dyskinesien (verminderte willentliche Bewegungen und das Vorhandensein von unwillkürlichen Bewegungen).
- Verminderte Dopamin-Transporter-Dichte ähnlich wie bei der idiopatischen Parkinson-Krankheit.
- Dysarthrie (Schwierigkeiten Worte zu sprechen), Beteiligung des autonomes Nervensystems und leichte Hirnatrophie.
Radiographie
Zerebrale Atrophie.
Abnormale Eisenansammlungen im Gehirn im Globus pallidus, in der Substantia nigra und/oder im Striatum sind variabel und können bei einigen Personen erst spät im Krankheitsverlauf im MRI nachgewiesen werden.
Bei einigen Individuen kann eine frontotemporale Atrophie/Hypoperfusion mit SPECT (single-photon emission computed tomography) nachgewiesen werden.
Molekulargenetische Untersuchung von PLA2G6 zur Identifizierung der Mutation in PLA2G6.
Behandlung der Symptome bei Personen mit INAD, aNAD und PLA2G6-bedingtem Dystonie-Parkinsonismus
- Routinemäßige pharmakologische Behandlung von Spastizität und Krampfanfällen.
- Baclofen oral oder intrathekal für Dystonien in Verbindung mit aNAD.
- Faserzusätze und/oder Stuhlweichmacher werden zur Behandlung von Verstopfung eingesetzt.
- Transdermales Scopolamin (Pflaster) kann bei der Mundsekretion helfen.
- Dopaminergische Mittel für Personen mit PLA2G6-assoziiertem Dystonie-Parkinsonismus.
- Psychotherapie für Menschen mit den später auftretenden neuropsychiatrischen Symptomen.
- Physiotherapie zur Behandlung von Haltungsinstabilität und Gehschwierigkeiten.
- Ergotherapie zur Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens.
- Orthopädische Behandlung zur Vorbeugung von Kontrakturen im weiteren Verlauf der Erkrankung
- Die Überwachung der Körpertemperatur kann bei Personen mit fortschreitender Beinträchtigung des autonomen Nervensystems erforderlich sein, um gefährliche Schwankungen der Körperkerntemperatur zu erkennen.
- Modifikationen der Nahrungsaufnahme, je nach Bedarf weichere Nahrung oder eine Ernährungssonde zur Vermeidung von Aspirationspneumonien und zur Erzielung einer ausreichenden Ernährung.
Überwachung
Eine periodische Beurteilung des Seh- und Hörvermögens von Kindern, die nicht sprechen, ist bei Bedarf angezeigt, um den Grad der sensorischen Defizite zu bestimmen.
Genetik
Die PLA2G6-assoziierte Neurodegeneration wird autosomal rezessiv vererbt. Rezessive Erkrankungen treten nur dann auf, wenn beide Elternteile Träger der gleichen Erkrankung sind und dann ihre veränderten Gene an ihr Kind weitergeben. Statistisch gesehen besteht 25% Wahrscheinlichkeit, dass zwei Träger ein betroffenes Kind haben, eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern ein Kind haben, das ebenfalls Träger ist und eine 25%ige Wahrscheinlichkeit, dass das Kind die Genmutation nicht hat.
Untersuchungen auf Trägerschaft für Risikoverwandte und pränatale Tests für Schwangerschaften mit erhöhtem Risiko werden vorgeschlagen, wenn die krankheitsverursachenden Mutationen in einer Familie bekannt sind.
Molekulargenetische Testverfahren können Einzelgen-Tests, die Verwendung eines Multi-Gen-Panels und umfassendere genomische Tests umfassen.
Pränatale Tests
Wenn die krankheitsverursachenden Mutationen in einer Familie identifiziert wurden, kann eine pränatale Diagnose bei Schwangerschaften mit erhöhtem Risiko gestellt werden. In einem Test wird die DNA aus fetalen Zellen, die durch Amniozentese gewonnen wurden, in der Regel in der 15. bis 18. Schwangerschaftswoche, extrahiert und analysiert. Oder es wird eine Probe der Chorionzotten, der winzigen fingerartigen Fortsätze am Rand der Plazenta entnommen, meist nach 10 bis 12 Schwangerschaftswochen.
Das Embryonen-Screening, die so genannte Präimplantationsdiagnostik, kann für einige Familien, in denen die krankheitsverursachenden Mutationen identifiziert wurden, eine Option sein.
Forschung
Im Rahmen eines Seed Grant (Startkapital) der NBIA Disorders Association erforscht Dr. Paul Kotzbauer von der Washington University in St. Louis, Mo. „Therapeutische Ansätze zur Steigerung der Acyl-Coenzym-A-Produktion bei NBIA“. Seine Hoffnung ist es, eine Therapie für die NBIA-Form zu entwickeln, die durch PLA2G6-Mutationen verursacht wird. Die Arbeit stützt sich auf frühere Forschungen in Kotzbauers Labor.
Die Wissenschaftler vermuten, dass andere Enzyme, die so genannten Acyl-CoA-Synthetasen, die mangelnde Aktivität des durch Mutationen beeinträchtigten PLA2G6-Enzyms ausgleichen könnten. Sie haben beobachtet, dass ein Protein, das die Aktivität von Acyl-CoA-Synthetasen stimuliert, einen positiven Effekt auf Mäuse mit einer PLA2G6-Mutation hat.
Das Labor testet verschiedene experimentelle Medikamente, die die Produktion von Acyl-CoA-Synthetase-Enzymen im Gehirn stimulieren könnten. Da mehrere dieser Medikamente die Acyl-CoA-Produktion in einigen Geweben erhöhen, besteht eine begründete Chance, dass sie eine ähnliche Wirkung auf die Gehirnzellen haben.
Sollte es gelingen, ein oder mehrere aussichtsreiche Medikamente zu identifizieren, hofft Kotzbauer auf weitere Mittel, um zu prüfen, ob auf diesem Weg auch bei Mäusen mit einer PLA2G6-Genmutation die neurologische Beeinträchtigung reduziert werden kann.
Im Rahmen einer 2014 von der NBIA Disorders Association für drei Jahre gewährten Förderung in Höhe von 150.000 Dollar erforscht Dr. Manju Kurian vom University College London einen gentherapeutischen Ansatz für PLAN. Das Team hat Erfahrung in der Gentherapie und verwendet einen „viralen Vektor“ als Trägersystem, um das fehlerhafte Gen durch ein funktionierendes Gen zu ersetzen. Die Forscher hoffen, dass diese Strategie den Weg für zukünftige klinische Studien an Patienten mit PLAN ebnet.